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Beatriz von Eidlitz – Atelierbesuch

Beatriz von Eidlitz‘ Atelier liegt in einem ehemaligen Industriekomplex im Münchner Osten. Kleine Firmen, Münchens Partymeile und einige Ateliers sind auf diesem Fabrikgelände angesiedelt. Eine schwere Stahltüre ist der Eingang zu Beatriz‘ Atelier. Tageslicht fällt durch eine Wand aus Glasbausteinen.
Beatriz steht inmitten von Eisenplatten, handgeschöpften Papieren und Pigmentdosen und zerstäubt Farbpigmente auf die Eisenplatten, manchmal in Kreisen und Linien, manchmal in großen Farbflächen. Darauf bringt sie Papierpulpe auf und lässt diese Verbindung einige Tage trocknen. Durch die Feuchtigkeit der Pulpe, die die Pigmentschicht durchdringt, fängt die Eisenplatte an einigen Stellen zu rosten an. Danach zieht sie das getrocknete Papier von der Eisenplatte ab. Durch diesen kontrollierten und komponierten Prozess und auch ein wenig durch das Spiel mit dem Zufall einstehen zwei Bilder einer Idee, eines auf Papier und eines auf Eisen.
Beatriz von Eidlitz ist Bildhauerin, die dreidimensional mit dem zweidimensionalen Medium Bild umgeht. Sie arbeitet konzeptuell, aber nicht im Sinne einer strengen Konzeptkunst der siebziger Jahre, sondern sie füllt diesen konzeptuellen Rahmen mit Leben, der ebenso Geplantes wie Zufälliges enthält.
Beim Betrachten ihrer Bilder fällt mir sofort die Körperhaftigkeit ihrer Werke auf. Nicht nur in Bezug auf den Bildgrund, die Eisenplatte oder den Gegenabdruck auf Papier, sondern auch in Bezug auf die Farbe selbst. Der Umgang mit Farbpigmenten ist ein bildhauerischer und kein malerischer, das heißt, Beatriz von Eidlitz erhält den haptischen Wert von Farbpigmenten. Die Farbe ist nicht Mittel zum Zweck, sondern Zweck an sich. Der sinnlich wahrnehmbare Eigenwert von Farbe bleibt vollkommen erhalten. Keine Lichtbrechung, hervorgerufen durch den Glanz eines Bindemittels, stört die direkte und tiefe Wahrnehmung der Farbe. Dies gibt den Farbflächen eine spirituelle Tiefe, wie ich sie in den vibrierenden Farbfeldern von Mark Rothko oder bei spätmittelalterlichen Fresken von Giotto oder Fra Angelico erlebe, wo die Farbe an sich bedeutungsgeladen ist und im Grunde durch das Fehlen einer Zentralperspektive einen hohen Grad an Abstraktion erhält.
Die direkt spürbare Präsenz eines Materials wie Eisen wie bei den monumentalen Eisenplatten von Richard Serra, deren schiere Masse und scheinbare Instabilität geradezu bedrohlich wirken, oder den Bleibüchern von Anselm Kiefer, deren bleierne Schwere den Museumsbesucher wie ein Mantel umhüllt, diese materielle Präsenz ist auch in den Bildobjekten von Beatriz von Eidlitz auf so direkte Weise spürbar. Sicher nicht so massiv und wuchtig wie bei Serra oder Kiefer. Aber die feine, pudrige oder grobe Körnigkeit von Farbpigmenten und Rost, das Schimmern des Eisens, Farbplatten, die Risse bilden, deren Ränder sich reliefartig nach oben wölben wie trockener Lehmboden in einer ausgedörrten Savannenlandschaft, all das ist bei den Bildern von Beatriz von Eidlitz so unverstellt erfahrbar, dass mich dieses direkte Erleben der Körperhaftigkeit von Farbe sofort in den Bann gezogen hat.
Wenn man die Fotografien der argentinischen Landschaften von Beatriz von Eidlitz neben ihren Bildern sieht, wird einem sofort klar, wo diese Bilder ihre Wurzeln haben. Das Erleben von Erde, Farbe und Abstraktion in diesen Landschaften hinterlassen in mir schon beim Betrachten der Fotografien einen tiefen Eindruck; wie müssen dann diese weiten Landschaften auf einen wirken, wenn man mitten in ihnen steht! Das ist sicherlich nur ein Aspekt bei Beatriz von Eidlitz‘ Arbeit, aber das Erdige des Farbauftrags in ihren Bildern, ihre direkte Art des Umgangs mit Pigmenten, Rost, Eisen und Papier empfinde ich als die abstrakte Weiterführung dieser Erfahrung.
Thomas Witzke